Der Peter-Weiss-Preis 2021 der Stadt Bochum wird an die Filmemacherin Ute Adamczewski verliehen. Die Auszeichnung, benannt nach dem Autor, Dramatiker, Maler und Filmemacher Peter Weiss, wird seit 1990 alle zwei Jahre an eine Persönlichkeit aus einer der Sparten Literatur, Theater, bildende Kunst und Film vergeben. Der Preis ist mit 15.000 Euro dotiert.
Die Jury hat sich auf ihrer Sitzung im Dezember für Ute Adamczewski als Preisträgerin ausgesprochen. Insbesondere hatte der Film „Zustand und Gelände“, der erst im Sommer 2021 in den Kinos zu sehen war, mit seiner Aktualität und gesellschaftlichen Brisanz tiefen Eindruck hinterlassen. Die Jury würdigt die Arbeit der Regisseurin und Künstlerin Ute Adamczewski „die seit 2013 mit verschiedenen konzeptuellen Videoarbeiten wie `Die neue Ordnung´ (2013) und `La Ville Radieuse Chinoise´ (2015) auf sich aufmerksam machte.“ Der Dokumentarfilm „Zustand und Gelände“ (2016-2019) „zeigt die Gebäude, in denen die ersten `wilden´ Konzentrationslager ab 1933 entstanden und in die vor allem politische Gefangene eingesperrt wurden. Teilweise handelte es sich um Bauten, in denen zuvor Organisationen tätig waren, die von der national-sozialistischen Diktatur verboten wurden. Der Film zeigt die Gebäude und Plätze in einer reduktionistischen Bildästhetik, die eine intensive Spannung zu den mündlich vorgetragenen Briefen und Verordnungen aufbaut. Vergangenheit und Gegenwart fließen ineinander, `Zustand und Gelände´ wird damit auch zu einer Warnung an die Gegenwart; der Film erinnert an Formen der Entmenschlichung, von denen auch demokratische Gesellschaften jederzeit bedroht sind.“
Dietmar Dieckmann, Kulturdezernent und Vorsitzender der Jury, resümiert: „Dieser Film baut mehrere Bedeutungsebenen übereinander auf und verknüpft sie miteinander. In dieser Form ist das einzigartig. Für mich ist das außergewöhnlich und zugleich beispielhafter Ausdruck eines aufrichtigen gesellschaftlichen Engagements.“
Für die Preisjury ist aber nicht nur die gesellschaftliche Brisanz des Films ausschlaggebend, sondern auch seine ausdrückliche Beziehung zum Lebenswerk von Peter Weiss. So „würdigt die Jury Adamczewskis Gesamtwerk, das sich mit historischen Prozessen, ihren audiovisuellen Dokumenten und besonders mit Architektur, Gebäuden, Plätzen und urbanen Räumen, die von politischen Akteuren besetzt und umkämpft werden, auseinandersetzt. Die ästhetische Prägnanz und der Blick auf die unartikulierten Aspekte der Geschichte können als Aktualisierung des aufklärerischen und antifaschistischen Lebenswerks von Peter Weiss verstanden werden.“
Die Verleihung des Peter-Weiss-Preises in der Sparte „Film“ erfolgt 2021 zum vierten Mal. Die vorherigen Preisträger in dieser Sparte waren Marcel Ophüls im Jahr 1992, Harun Farocki 2002 und Fatih Akin 2012.
Die Auszeichnung soll Schriftstellerinnen und Schriftstellern, bildenden Künstlerinnen und Künstlern, Theatermacherinnen und Theatermachern sowie Filmschaffenden Ansporn und Förderung sein, ihre Arbeit im Sinne eines humanistischen Engagements fortzuführen, für welches das Gesamtwerk von Peter Weiss beispielhaft steht.
Die feierliche öffentliche Preisverleihung findet vorbehaltlich der pandemischen Entwicklungen voraussichtlich am 24. April 2022 im Schauspielhaus Bochum statt.
Unter dem Jury-Vorsitz von Kulturdezernent Dietmar Dieckmann berieten die Fachjuroren Friederike Becht, Prof. Dr. Oliver Fahle, Diana Iljine und Dr. Maxa Zoller sowie die Vertreterinnen und Vertreter der Fraktionen im Rat der Stadt Bochum Sonja Gräf (SPD), Kemal Güler (Die Grünen), Barbara Jeßel (Die Grünen) und Monika Pieper (CDU). Johan Simons, Intendant des Schauspielhauses, nahm mit beratender Stimme teil.
Text der Jurybegründung:
Ute Adamczewski ist Regisseurin und Künstlerin, die seit 2013 mit verschiedenen konzeptuellen Videoarbeiten wie „Die neue Ordnung“ (2013) und „La Ville Radieuse Chinoise“ (2015) auf sich aufmerksam machte, und für ihren Dokumentarfilm „Zustand und Gelände“ (2016-2019) mehrfach ausgezeichnet wurde.
Die Jury würdigt Adamczewskis Gesamtwerk, das sich mit historischen Prozessen, ihren audiovisuellen Dokumenten und besonders mit Architektur, Gebäuden, Plätzen und urbanen Räumen, die von politischen Akteuren besetzt und umkämpft werden, auseinandersetzt. Die ästhetische Prägnanz und der Blick auf die unartikulierten Aspekte der Geschichte können als Aktualisierung des aufklärerischen und antifaschistischen Lebenswerks von Peter Weiss verstanden werden.
Kurz-Vita:
Ute Adamczewski, Jahrgang 1967, studierte Architektur. Sie spezialisierte sich schon während des Studiums auf audiovisuelle Arbeiten zum Thema Städtebau und Architektur. Ihre ersten Filme entstanden mit einer Super-8-Kamera. Nach ihrem Studienabschluss hat sie Videofilme und Installationen realisiert, die in Ausstellungen und auf Filmfestivals gezeigt wurden.
Seit 2000 ist Ute Adamczewski freischaffende Filmemacherin, Autorin, Regisseurin, Produzentin und Cutterin mit dem Schwerpunkt auf Dokumentarfilm, Videoinstallation und Bühnenvideo. Im Fokus ihrer Arbeit stehen Architektur und Städtebau als Spiegel von Gesellschaft, De- und Rekonstruktion von Zeitgeschichte, sowie die Repräsentation von Krieg und Gewalt in audiovisuellen Medien.
Ute Adamczewski ist seit April 2021 Künstlerische Gastprofessorin im Fachbereich Medien, Theater und Populäre Kultur an der Stiftung Universität Hildesheim. Sie vertritt den Bereich „Film und Bewegtbild im digitalen Zeitalter“.
Quelle: Stadt Bochum
Foto: Frank Sperling