Das „Schaufenster Stadtgeschichte“ des Stadtarchivs Bochum beleuchtet im März ein bemerkenswertes Dokument: das „Verzeichnis über diejenigen Personen des Amtes Linden-Dahlhausen, welche in dem Verdachte stehen der Sozialdemokratie zu huldigen.“ Diese Liste ist ein Zeugnis politischer Überwachung im 19. Jahrhundert und gibt Einblick in die sozialen Spannungen jener Zeit. Interessierte können die Ausstellung im Stadtarchiv an der Wittener Straße 47 besuchen. Der Eintritt ist frei.
Heinrich Kämpchen auf der „Schwarzen Liste“
Unter den erfassten Namen findet sich Heinrich Kämpchen (1847–1912), ein Bergmann und Gewerkschaftsaktivist aus Bochum-Linden. Kämpchen setzte sich für bessere Arbeitsbedingungen ein und wurde dadurch zur Zielscheibe der Behörden und Zechenbesitzer.
Ende des 19. Jahrhunderts waren die Arbeitsbedingungen im Bergbau hart. Ein Achtstundentag war noch in weiter Ferne, Löhne blieben niedrig, und die Sicherheit der Arbeiter spielte eine untergeordnete Rolle. Die Reform des Knappschaftsrechts von 1854 verschärfte die Situation weiter. Streiks, ob organisiert oder spontan, wurden zu einem häufigen Mittel des Protests.
Der Streik von 1889 und Kämpchens Rolle
Beim großen Bergarbeiterstreik von 1889 wurde Kämpchen als Sprecher der Kumpel auf der Zeche Hasenwinkel gewählt. Die Zechenbesitzer reagierten mit Aussperrungen und setzten Streikbrecher ein. Kämpchen thematisierte die Situation in seinem Gedicht „Lumpenparade“:
„Knappen, seht euch die Lumpen an,
Die da kommen des Weges heran,
Eskortiert von der Polizei,
Kameraden, herbei, herbei! …“
Seine Texte fanden große Verbreitung und machten ihn überregional bekannt. Während ihn die Bergleute feierten, galt er in Unternehmerkreisen als unerwünschte Person. Anfang 1890 wurde er als nicht mehr arbeitsfähig erklärt und entlassen. Eine offene Kündigung hätte Unruhen provoziert. Fortan widmete sich Kämpchen dem Schreiben, unter anderem für die „Deutsche Bergarbeiter-Zeitung“. Sein Einkommen blieb bescheiden.
Ein bleibendes Erbe
Kämpchen verstarb am 10. März 1912. Mehr als 4.000 Menschen nahmen an seiner Beerdigung teil. Der Schneidermeister Franz Schulte fasste die Bedeutung Kämpchens in seinem Nachruf zusammen: „Als Mann des Volkes hast du gelebt, als Mann des Volkes bist du gestorben, als Mann des Volkes wirst du unter uns weiterleben.“
Das „Schaufenster Stadtgeschichte“ erinnert mit der Ausstellung an Kämpchen und die sozialen Kämpfe seiner Zeit. Mehr Informationen gibt es unter www.bochum.de/stadtarchiv.