Das „Schaufenster Stadtgeschichte“ präsentiert einmal im Monat ein besonderes Dokument oder Objekt aus den Beständen des Stadtarchivs – Bochumer Zentrum für Stadtgeschichte. Auf diese Weise werden nicht nur historische Ereignisse oder Persönlichkeiten vorgestellt. Das „Schaufenster Stadtgeschichte“ gewährt auch einen Einblick in die bunte Vielfalt der historischen Zeugnisse, die zum kulturellen Erbe Bochums gehören und die im Stadtarchiv – Bochumer Zentrum für Stadtgeschichte verwahrt werden.
Im Juli geht es um den „Vorentwurf zum Neubau des Rathauses (KP / 1045)“. Interessierte können die Exponate auch im Stadtarchiv – Bochumer Zentrum für Stadtgeschichte, Wittener Straße 47, besichtigen. Der Eintritt ist frei. Weitere Informationen gibt es im Internet unter www.bochum.de/stadtarchiv.
Durch die Industrialisierung verwandelte sich Bochum um 1900 von einer kleinen Ackerbürgerstadt in eine Großstadt. Zuzug und Eingemeindungen ließen die Einwohnerzahlen rapide ansteigen. Das Rathaus der Stadt befand sich ab 1886 im ehemaligen Hotel „Kaiserlicher Hof“ (auf dem Gelände des jetzigen Rathausvorplatzes gelegen) und wurde 1894 um einen Anbau mit großem Sitzungssaal erweitert. Schon wenige Jahre später genügte der Platz für die Verwaltung nicht mehr und so wurde 1912 ein Preisausschreiben für Entwürfe zu einem neuen Rathaus gestartet. Durch den Ausbruch des Ersten Weltkrieges kam es zu keiner Weiterverfolgung des Projekts. 1925 wurde ein zweiter Architekturwettbewerb ausgerufen. 252 Vorschläge gingen fristgerecht ein, dazu außerordentliche Entwürfe von Karl Roth aus Darmstadt und Hermann Billing aus Karlsruhe.
Die Bleistiftzeichnung von Hermann Billing zeigt einen Vorentwurf für seinen Vorschlag des Bochumer Rathausneubaus. Er referenziert Gotik und Renaissance und könnte dem für die 1920er-Jahre in Deutschland und dem Ruhrgebiet häufiger anzutreffenden Expressionismus zugezählt werden. Auffällig ist ein auch in vielen Wettbewerbsentwürfen vorgesehener Rathausturm. Billing war ein äußerst namhafter Architekt des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts. Bekannt wurde er in der Kaiserzeit für seine Gebäude in Historismus und Jugendstil. Er ging jedoch durchaus mit der Zeit und brachte gegen Ende seines Schaffens auch Entwürfe im Expressionismus oder der Neuen Sachlichkeit zu Papier. Beim 1. Bochumer Architektenwettbewerb 1912 hatte er sich mit seinem Entwurf eines neuen Rathauses in einer Mischung aus Neobarock und Jugendstil den ersten Platz gesichert.
Von den Wettbewerbsentwürfen 1925 wurden 191 umgehend aufgrund offensichtlicher Mängel disqualifiziert. Sechs Vorschläge erhielten Preisgelder. Den ersten Platz erlangten Robert Meyer und Hans Freese aus Düsseldorf. Zur Ausführung gelangte allerdings keine der Ideen. Auch Hermann Billing konnte die Verantwortlichen mit seinem neuen Entwurf nicht überzeugen. Am Ende setzte sich Karl Roth mit seinem kühlen, geradlinigen, aber nicht gänzlich schmucklosen Vorschlag durch. Sein Konzept wurde 1927 bis 1931 realisiert und hat sich bis heute erhalten.
Die Zeichnung von Hermann Billing gelangte in den Nachlass seines Sohnes Dietrich und auf ungeklärte Weise in das Bauordnungsamt der Stadt Bochum und später in die Bestände des Stadtarchivs.
Quelle: Stadt Bochum