Tokio Hotel sprechen das junge Publikum beim Zeltfestival Ruhr an

Beim Zeltfestival Ruhr haben sich Tokio Hotel in die Liste der Künstler eingereiht. Zwar hat die Band mit Ursprung aus Magdeburg eine treue Fan-Basis, die ihnen nach wie vor überall hinterher reist, und dennoch polarisieren sie.

Kaum eine Band spaltet die Gemüter so sehr, wie Tokio Hotel. Die Band, die als Teenager angefangen hat, gemeinsam Musik zu machen, kann nicht richtig erwachsen werden. Zumindest, wenn es nach der Plattenfirma geht. So präsentieren die Musiker inzwischen im Elektro-Pop mit Gitarreneinfluss und sorgen mit ihrem Auftritt beim Zeltfestival Ruhr für Ekstase und kreischende, meist weibliche Fans unter 18 Jahren. Entsprechend ist es nicht verwunderlich, dass zu dem Auftritt am Kemnader See nicht nur Fans aus beispielsweise Osnabrück anreisen, sondern auch aus unter anderem Italien. Sie haben teilweise schon ab 9:30 Uhr morgens vor dem Gelände des Zeltfestival Ruhr gewartet, nur um in der ersten Reihe stehen zu können.

Tokio Hotel beherrschen trotz aller Kritik ihr Handwerk

Entsprechend ist es nicht verwunderlich, dass sich die Musiker vor ein paar Jahren aus der Öffentlichkeit zurückgezogen haben, da die Ausmaße des Fan-Belagerung nicht mehr erträglich gewesen sind. Für einige mögen diese Aussagen eher an Zustände wie bei den Beatles oder Take That oder der Kelly Family erinnern. Und ja, das Publikum ist meist weiblich und im jugendlichen Alter. So muss sich das Produkt einer Plattenfirma diesen Vergleich gefallen lassen. Denn gleich bei den ersten Tönen von „White Lies“, was im Radio rauf und runter läuft, ist die Hysterie da. Die Fans kreischen sich die Seele aus dem Leib und halten Schilder hoch, auf denen sie den Musikern um die Zwillingsbrüder Bill und Tom Kaulitz ihre Botschaft zukommen lassen.

Lässt man außer Acht, dass die Brüder Bill und Tom eher durch ihr Auftreten glänzen, so muss an gestehen, dass die Musik nicht schlecht ist. Auch an diesem Abend wechselt Sänger Bill immer wieder sein Pailletten-Outfit inklusive Plateau-Schuhen und ist somit weiterhin die schrille Figur auf der Bühne. Und doch haben sie ihr Publikum direkt von den ersten Takten an im Griff. Die Musik kommt nicht vom Band, sondern ist komplett live und kein Ton nicht da, wo er nicht hingehört. Ebenfalls ist bemerkenswert, dass Bill immer wieder auf die meist minderjährigen Fans eingeht und sie beispielsweise fragt, ob die Band eine Pause machen soll, damit einmal Luft geholt werden kann.

Beim Zeltfestival Ruhr spielen Tokio Hotel altes Material im neuen Gewand

„Bochum, ich find das ganz toll hier“, lobt Sänger Bill Kaulitz die Stimmung im Zelt und kündigt den 2019 erschienen Song „When it rains it pours“ an: „Den nächsten Song haben wir schon länger nicht mehr gespielt.“ Danach wird es ruhiger. Balladen voll mit Herzschmerz stehen an. Und auch das eine oder andere deutschsprachige Stück ist auf der Setlist zu finden. Beim nächsten Song sind nur noch die Kaulitz-Brüder auf der Bühne. Tom sitzt mit Akustikgitarre auf der Bühne und Bruder Bill daneben. „Ich weiß, wie viel der Song einigen von euch bedeutet und uns hat er zurückgebracht“, sagt Bill über „Spring nicht“. Und doch entsteht aufgrund der schillernden Persönlichkeiten von Bill und Tom Kaulitz der Eindruck, dass Gustav Schäfer und Georg Listing nur Beiwerk sind. Dies ist schade, denn die beiden tragen ebenfalls zum weltweiten Erfolg der Band bei.

Im Gepäck haben die Musiker also auf ihrer Beyond the Word Tour also nicht nur Klassiker im neuen Gewand, sondern auch neues Material. Und doch ist auch der Abend irgendwann vorbei. Bill, Tom, Georg und Gustav haben abgeliefert, was man von ihnen erwartet und auch muss man weiterhin gestehe: Auch wenn der rockige Sound inzwischen durch moderne Synthie-Elemente ersetzt worden ist, so lassen sie weiterhin Mädchenherzen höherschlagen.