Zum Votum des ADFC Bochum zur weiteren Mitgliedschaft der Stadt Bochum in der Arbeitsgemeinschaft fußgänger- und fahrradfreundlicher Städte (AGFS) NRW ab dem 01.01.2024
Seit 2016 ist Bochum Mitglied in der AGFS. Kürzlich stand der Antrag auf Verlängerung nach sieben Jahren an. Im Vorfeld wurde der ADFC Bochum dazu befragt. Dabei hat man es sich beim ADFC mit der Bewertung nicht leicht gemacht. Gegenstand ist nicht nur der jetzt eingereichte Verlängerungsantrag, sondern auch die Befahrung 2016.
Damals positiv herausgestellte Punkte erscheinen heute weniger eindeutig, beispielsweise:
- die besonders gelobten Umleitungsbeschilderung bei Baustellen für den Fuß- und Radverkehr.
- das nahezu konfliktfreie Fortbewegen auf Bahntrassen – das galt aber nur in Zusammenhang mit motorisierten Verkehrsteilnehmern.
- Bochum würde alle vorhandenen Möglichkeiten nutzen, um sicheres Radfahren zu ermöglichen.
Bei Betrachtung der negativen Punkte, die damals von der Stadt Bochum selbst in ihrer eigenen Mitteilung als Handlungsbedarf aufgelistet worden sind, stellt der ADFC fest, dass
- die Entkoppelung gemeinsamer Geh- und Radwege kaum umgesetzt wurde und sogar – im Gegenteil! – weitere Planungen gemeinsame Geh- und Radwege vorsehen (z.B. Interimslösung Viktoriastraße, Gesundheitscampus, Lothringen-Trasse, MARK 51°7 bzw. dort die Zubringerwege).
- die Forderung nach mehr freigegebenen Einbahnstraßen nach AGFS-Aufnahme kaum erfüllt wurde, obwohl sich straßenverkehrsrechtlich die Situation geändert hat („soll“ statt „kann“)
- keine “Abstellflächen für Räder an großen Wohnkomplexen“ eingerichtet wurden.
„Wir kommen nicht umhin festzustellen, dass einige der damals positiv erwähnten Punkte nicht mehr so positiv zu bewerten sind und die negativ genannten Handlungsfelder nicht entschieden genug angegangen wurden“, so Jens Matheuszik für den ADFC.
Bei der Bewertung des Verlängerungsantrages stützte sich der ADFC Bochum auf folgende Kriterien, die von der AGFS vorgegeben sind:
- Formulierte Zielsetzungen
- Berücksichtigung des Radverkehrs bei großen Verkehrsinfrastruktur- bzw. städtebaulichen Maßnahmen
- „Fahrradklima“ in Politik und Verwaltung
1. Formulierte Zielsetzungen:
Das neue Radverkehrskonzept, die Vermeidung von Durchfahrts-Autoverkehr in Wohngebieten und die Planung grüner Wegeverbindungen sind unter dem Aspekt der Fußgänger- und Fahrrad-freundlichkeit positiv zu bewerten. Ebenso die strukturellen Maßnahmen im Bereich der Planungsverwaltung.
Der im neuen Radverkehrskonzept ausgewiesene Zielwert des Radverkehrs an allen Verkehren (Modal Split) bleibt zwar bei 25% und entspricht somit dem erst kürzlich verabschiedeten Fahrrad- und Nahmobilitätsgesetz NRW.
Kritisch sieht der ADFC Bochum, dass das Konzept aber einen längeren Zeitraum bis zur Zielerreichung vorsieht . Bis 2030 begrenzt man ihn auf „realistische“ 15%. Das ist nichts anderes als die Feststellung einer unzureichenden Radverkehrspolitik der letzten acht Jahre, in denen man das mit der Aufnahme in die AGFS NRW im Jahre 2016 formulierte Ziel von 25% bis zum Jahr 2030 offensichtlich nicht entschieden genug angegangen ist.
2. Berücksichtigung des Radverkehrs bei großen Verkehrsinfrastruktur- bzw. städtebaulichen Maßnahmen:
Grundsätzlich kann man das nicht verneinen. Dennoch fehlt hier nach Auffassung des ADFC Bo-chum doch manchmal der Blick auf das große Ganze: Wenn beispielsweise beim Radschnellweg RS1 Ruhr Flächen an neuralgischen Stellen, wo die Machbarkeitsstudie zumindest deutlich macht, dass es sehr wahrscheinlich ist, dass diese für den RS1 benötigt werden, Grundstücke an Investoren verkauft werden. Die unterhalb der Jahrhunderthalle geplanten Tiefgaragenein- und ausfahrten führen direkt auf den geplanten RS1.
Bei der Frage, wie es mit konflikthafter Infrastruktur für z.B. gemeinsamen Rad- und Fußverkehr aussieht, müssen wir leider feststellen, dass diese (s.o.) auch noch weiter geplant werden. Wenn beispielsweise die Zubringerradwege bei MARK 51°7 auf gemeinsamen Geh- und Radwegen geführt werden, dann ist das unserer Meinung nach keine angemessene Planung und widerspricht den Vorgaben des neuen Radverkehrskonzeptes.
3. „Fahrradklima“ in Politik und Verwaltung:
Der ADFC bewertet die gemeinsamen Gespräche mit dem Tiefbauamt und die Befahrungen vor Ort grundsätzlich positiv. Hier werden Planungen angesprochen und Anregungen des ADFC gerne aufgenommen. Inwiefern jedoch insbesondere in der Verwaltung das Fahrradklima abschließend auf den entsprechenden Entscheidungsebenen immer positiv gesehen wird, ist fraglich. Gleiches gilt für die Politik in der Stadt und den Bezirken. Wir hören zwar immer grundsätzliche Unterstützung, aber entsprechende Taten folgen zu selten.
Die AGFS-Mitgliedschaft von Bochum war 2016 ein Wechsel für die Zukunft. Vergleicht man nur die damals (von der Stadt selbst aufgestellten!) positiven wie negativen Punkte, war dieser Wechsel leider ungedeckt. Viele der positiven Punkte liegen nach Auffassung des ADFC Bochum nicht mehr vor, die Punkte, die damals (auch von der Stadt selbst so genannt wurden!) Handlungsbedarf aufwiesen, sind nach Bewertung durch den ADFC nicht entscheidend aufgegriffen worden.
Der Verlängerungsantrag dokumentiert ausführlich die angestrebten Verbesserungen. Das neue Radverkehrskonzept, die Entscheidungen in den politischen Gremien und der großzügig ausgebaute Stellenplan wirken vielversprechend. Was aber in der Praxis zum Tragen kommt, bleibt nach den Erfahrungen der letzten sieben Jahre abzuwarten.
Trotz vieler Bedenken spricht sich der ADFC Bochum für eine weitere Mitgliedschaft der Stadt Bochum in der AGFS aus. Er verbindet damit die Hoffnung, die Mitgliedschaft in der AGFS als Hebel benutzen zu können, die Stadt zur zeitnahen Umsetzung des Radverkehrskonzeptes 2023 zu verpflichten und die Vorgaben der AGFS sich zu eigen zu machen. Der ADFC Bochum erwartet jedoch auch, dass die schon 2016 kritisierten Punkte in den nächsten Jahren auch aufgegriffen werden.
Quelle: ADFC Bochum