VfL verpasst großen Schritt Richtung Klassenerhalt und appelliert an Gemeinschaft mit den Fans
Das sportliche Fazit nach der gestrigen 2:3 Niederlage gegen den Abstiegskonkurrenten VfB Stuttgart ist schnell erzählt und aus Bochumer Sicht leider ernüchternd: Eine schwache erste Halbzeit und neun Minuten Abwehr-„Blackout“ in der zweiten Halbzeit beendeten den Traum vom Sieg beim „9-Punkte-Spiel“. Daran konnte auch eine engagierte 20-minütige Schlussphase nichts mehr ändern. Die Mannschaft von der Castroper Straße konnte ihre Basistugenden (Abwehrstärke und Kampf) aus den letzten Spielen gegen den – durch den Trainerwechsel zum neuen Leben erweckten – VfB Stuttgart nicht auf den Platz bringen. Zu allem Überfluss verlor Trainer Thomas Letsch nach einer Rudelbildung in der Schlussphase noch seinen Schlüsselspieler Anthony Losilla wegen der fünften gelben Karte. Und den „gebrauchten Tag“ komplettierte eine beinahe Tribünen-Schlägerei zwischen Fans und Torwart Manuel Riemann. Der VfL appellierte danach an die Gemeinschaft mit den Fans.
Nach einer „verschenkten“ ersten Halbzeit, in der der VfL keinen richtigen Zugriff aufs Spiel bekam und die wenigen Chancen nicht nutzen konnte, hätte der VfL Bochum nach dem 1:1 per Elfmeter durch Kevin Stöger (58. Minute) sogar zwischenzeitlich die Chancen gehabt, mindestens einen Punkt im engen Abstiegskampf der ersten Bundesliga mitzunehmen. Doch an diesem Spieltag konnte der VfL nicht an die guten Leistungen der letzten Spiele anknüpfen. Auch weil VfB-Torwart Fabian Bredlow bis zum Anschlusstreffer zum 2:3 von Philipp Hofmann (85. Minute) seinen Kasten sauber hielt. Anders als Manuel Riemann, der beim „Sonntagsschuss“ von Hiroko Ito (14. Minute) noch machtlos war. Aber beim 1:2 durch Serhou Guirassy (60. Minute) und beim 1:3 durch Joshua Vagnoman (63. Minute) versagte beide Male die VfL-Abwehr und ermöglichte so nach langer Zeit mal wieder einen Auswärtssieg des VfB Stuttgart.
(c) Sebastian Sendlak / DeFodi Images
Letsch: „Wir haben eine große Chance verpasst“
„Der Hauptkritikpunkt ist heute die Art und Weise, wie wir Tore kassiert haben“, kritisierte Cheftrainer Thomas Letsch in der Pressekonferenz nach dem Spiel. Eine Kritik, die er bereits nach der Niederlage gegen Schalke 04 betont hatte. Danach hatte sich die VfL-Abwehr zwar deutlich stabilisiert, verfiel aber jetzt wieder in alte Muster. Dazu gehört auch, dass sich bei Torwart Manuel Riemann wieder einmal Glanztaten und Fehler abwechselten. Gegen Stuttgart patzte er beim 1:3 als er eine Flanke von Enzo Millot unterlief, gleichzeitig glänzte er beim Konter von Borna Silas und verhinderte das 2:4. Auch beim Spiel gegen S04 hatte Riemann ein Eigentor verursacht und zugleich starke Paraden gezeigt, die den VfL beim vorletzten Heimspiel gegen den RB Leipzig auf der Siegerstraße hielten.
Scheinbar geht dem VfL immer dann die Luft aus (oder ist der Druck zu stark?), wenn es um die entscheidenden „Big Points“ gegen Abstiegskonkurrenten geht. „Am Ende sind wir selbst schuld, wir haben das Spiel weggeschmissen. Wir müssen künftig auch gegen die direkten Konkurrenten gewinnen, nicht nur gegen Mannschaften, die tabellarisch über uns stehen“, betonte Torschütze Philipp Hofmann. Nicht zum ersten Mal in dieser und in der letzten Saison zeigt der VfL zwei Gesichter: Gegen höherklassige Mannschaften „top“ und gegen Tabellenkonkurrenten „flop“.
Trotz des verlorenen „9-Punkte-Spiels“ betonte Trainer Letsch: „Wir haben eine große Chance verpasst, nichtsdestotrotz wirft uns das nicht um. Der Abstiegskampf wird noch eine Weile gehen, mit den üblichen Verdächtigen.“ Und auch Spieler Konstantinos Stafylidis betonte: „Dennoch haben wir weiterhin eine solide Ausgangsposition. Wir haben es in der eigenen Hand, die Klasse zu halten.“
Allerdings müssen Trainer und Mannschaft beim nächsten Spiel gegen Union Berlin zwangsweise auf Schlüsselspieler Anthony Losilla verzichten. Der Abwehrchef des VfL fing sich – nach einer Rudelbildung an der Seitenlinie kurz vor dem Abpfiff – unnötigerweise die fünfte gelbe Karte ein.
VfL-Statement: Es geht nur gemeinsam!
Doch dies ist nicht das einzige Problem, dass die Verantwortlichen des VfL Bochum gestern wohl schlecht schlafen gelassen hat. Denn nach dem Schlusspfiff kam es – nach Beleidigungen durch VfL-Fans – zu einer beinahe Schlägerei zwischen einem Fan und Torwart Manuel Riemann. Bereits zuvor erhielt Riemann eine gelbe Karte, nachdem er mit dem Unparteiischen-Gespann nach dem Schlusspfiff aneinandergeriet. Abseits des Rasens sorgt die Szene für viel Diskussionsstoff und Kritik. Noch am Samstagabend reagierte der VfL Bochum auf den Tribünen-„Eklat“, der nicht der erste seiner Art ist. Bereits nach der Niederlage gegen den FC Schalke 04 hatte sich Spieler Philipp Förster über das beleidigene Verhalten („Stinkefinger“) einiger Fans beklagt, ebenso wie VfL-Trainer Thomas Letsch.
In der Stellungnahme des Vereins heißt es wörtlich: „Wir haben es selbst in der Hand, den Klassenerhalt zu schaffen. Das funktioniert allerdings nur, wenn die Bochumer Gemeinschaft als solche auftritt und zusammenhält. (…) Wenn wir im Abstiegskampf bestehen wollen, geht es nur gemeinsam!“. Der Verein stellt sich im Statement schützend vor seine Mannschaft, wohlwissend, dass die Mission Klassenerhalt ohne den Rückhalt der Mehrheit der Fans nicht funktionieren kann: „Der Erfolg des VfL kommt auch dank der hervorragenden Unterstützung unserer Fans zustande. (…) Wenn aber einzelne versuchen, dem VfL zu schaden, werden wir entschieden dagegen vorgehen und diejenigen schützen, die den Klassenerhalt auf dem Platz realisieren sollen, nämlich unsere Spieler.“
WTF is this?! Vfl Bochum keeper and unhappy fan… pic.twitter.com/J1R2sbn18j
— Topliss at the Turnstiles (@Topliss94) April 9, 2023
Es war nicht die einzige Eskalation auf der Fan-Seite an diesem Tag. Nach dem Spiel legten sich einige Ultras mit Fans in der eigenen Kurve an, was nur durch das Eingreifen der Ordner beendet werden konnte.
Fazit: Der VfL Bochum muss – wie nach der Niederlage beim „kleinen Revierderby“ gegen den FC Schalke 04 – jetzt eine Reaktion zeigen. Und dazu gehört vor allem die zuletzt gezeigte Stabilität in der Abwehr und die Stärke bei Standards (die ansatzweise auch im gestrigen Spiel zu sehen waren) wieder auf den Platz zu bringen. Dann gelingt auch wieder der Schulterschluss mit den Fans, die mehrheitlich weiterhinter dem VfL stehen, wie ein Facebook-Post von Hans-Werner Förster belegt: „1. Ich bin selten so enttäuscht aus dem Ruhrstadion gegangen. 2. Nächstes Heimspiel komme ich wieder!“