Der VfL Bochum belohnt sich nicht für einen engagierten und kämpferischen Auftritt und muss nach einer 0:2 Niederlage im eigenen Stadion die rote Laterne vom Gegner FC Schalke 04 übernehmen. Für Schalke endet eine Negativserie von 38 Auswärtsspielen ohne Sieg und der Druck in Bochum wächst. Auch wenn die VfL – Verantwortlichen „alles auf den Prüfstand stellen wollen“, nehmen Trainer und die Mannschaft auch Positives für die heiße Phase eines engen Abstiegskampfes mit.
„Wir haben heute eine große Chance verpasst. Wir sind aber größtenteils selbst dafür verantwortlich. Wir müssen in einem umkämpften Spiel ohne Gegentor in die Halbzeit gehen, wie auch schon gegen Bayern und Dortmund. Wir haben heute nicht geschafft, das Momentum für uns zu entscheiden“, analysierte Cheftrainer Thomas Letsch die heutige Partie. Diese hätte allerdings auch ganz anders ausgehen können, wenn in der ersten Halbzeit die Großchancen von Philipp Hoffmann (6. Minute), Christopher Antwi-Adjei (21. Minute) und Takuma Asano (42. Minute) gesessen hätten. Stattdessen erwischte es Bochum in der 41. Minute, in der eine verunglückte Abwehraktion von Torwart Manuel Riemann für den psychologisch ungünstigen 0:1 – Rückstand kurz vor der Pause sorgte. Derselbe Riemann, der zuvor unter anderem in der 15. Minute, in der 55. Minute und der 77. Minute mit Großtaten den VfL weiter im Spiel hielt. An einem „individuellen Fehler“ wollte daher auch weder Trainer Thomas Letsch noch Mitspieler Philipp Förster die heutige Niederlage festmachen. Denn beim 0:2 durch Marius Bülter in der 78. Minute war Manuel Riemann machtlos.
Und wenn das 1:2 durch Kevin Schlotterbeck in der 82. Minute – nach langem Check im „Kölner Keller“ – nicht wegen Abseits durch den heute oftmals unglücklich agierenden Schiedsrichter Felix Brych aberkannt worden wäre, hätten die verbliebenden acht Minuten (plus vier Minuten Nachspielzeit) noch sehr spannend werden können. Denn die Abwehrt des Schalke 04 war heute – vor allem in der ersten Halbzeit – über die Außenbahnen sehr einfach in Bedrängnis zu bringen. Trotzdem ist es der Mannschaft von Trainer Thomas Reis gelungen, ihre Abwehrstärke auszuspielen. Dies wurde vor allem in der zweiten Halbzeit deutlich, in der der VfL Bochum das heutige kleine Revierderby „aus der Hand gab“. Ein Derby, das vor allem durch harte Zweikämpfen geprägt war und wie bei einem Vulkan an manchen Stellen kurz vor dem Ausbruch stand – sowohl auf dem Spielfeld bei Rangeleien und Schubsereien als auch an der Seitenlinie, wo vor allem die Gästebank um Trainer Thomas Reis im Fokus stand.
„Es war heute kein Endspiel, aber jetzt heißt es: Alles auf den Prüfstand zu stellen und sich in den kommenden elf Spielen wieder anders zu präsentieren. Wir wollen alles dafür tun, den VfL Bochum in der ersten Liga zu halten und müssen uns selber da wieder herausziehen“, betonte Thomas Letsch. „Natürlich werden die nächsten Spiele nicht einfacher, aber wir müssen es schaffen, drei Spieltage vor Schluss noch mittendrin zu sein. Und dazu müssen wir ein paar Dinge verändern.“
Personell kann der VfL Bochum – nach abgesessenen Rotsperre – jetzt wieder auf seinen Kapitän Anthony Losilla setzen. „Toto“ soll die Abwehr, die bisher ligaweit mit 32 die meisten Tore bekommen hat, stabilisieren. Deshalb hofft Trainer Thomas Letsch darauf, bald wieder mehr Konkurrenzsituation durch die Rückkehr von verletzten Spielern, wie Simon Zoller und Gerrit Holtmann noch vor der Länderspielpause.
Revierderby in angespannter Atmosphäre
Für Thoms Reis war es heute der erste Auftritt als Trainer von Schalke 04 an seiner alten Wirkungsstätte. Im Vorfeld des Spiels war das Thema durch einige Medien hochgespielt worden. Die Verantwortlichen des VfL versuchten das Thema eher klein zu halten und auch Thomas Reis selber sagte in der Pressekonferenz nach dem Spiel: „Ich hatte hier eine geile Zeit und daher habe ich Respekt vor dem VfL Bochum.“
Im Stadion war der Protest der Fans zuvor aber sehr deutlich: „Wenn Du kein ehrenloser Bastard bist, wer dann?“, prangerte in großen Lettern auf einem Banner vor der Ostkurve und bei der obligatorischen Begrüßung des Gästetrainers durch den Stadionsprecher gab es ein Pfeifkonzert. Eine Kritik, die sich sowohl an den Ex-Trainer als auch an Ex-Spieler (Sebastian Polter) richtete, die jetzt für den Schalke 04 arbeiten. Für VfL-Spieler Philipp Förster hat die Diskussion um den Ex-Trainer allerdings keine Bedeutung gehabt, wie er auf Bochum-Journal-Frage betonte: „In erster Linie geht es um uns als Mannschaft, das andere ist nicht meine Baustelle“. Und Baustellen hat die Mannschaft (Stichworte: meisten Gegentore der Liga, die letzten vier Spiele ohne eigenes Tor) selber genug. Aber die Fans gehören nicht zur Baustelle des VfL – noch.
(c) Sebastian Sendlak / DeFodi Images
Fans stehen hinter dem VfL – aber die Geduld schwindet
Denn an der Unterstützung der Fans hat es während des heutigen Spiels im mit 26.000 Zuschauern ausverkauften Stadion sicherlich nicht gemangelt. Beide Fanlager lieferten sich laustarke Gesangsduelle. Und auch nach dem Abpfiff gab es nur vereinzelte Pfiffe. Doch Spieler Philipp Förster berichtete von „unschönen Szenen“ („Stinkefinger“), die den Spielern beim „Zaungespräch“ nach Abpiff gezeigt wurden. Ein Zeichen dafür, dass die Geduld bei den Bochumer Fans nach vier Niederlagen schwindet. Erstmals in dieser Saison waren – Mitte der zweiten Halbzeit – „Wir wollen euch kämpfen sehen“ – Rufe im Stadionrund zu hören gewesen. Auch Trainer Thomas Letsch registrierte dies eund sagte nach dem Spiel „Ich verstehe jeden Fan, der den Eindruck hat, das heute das letzte Etwas fehlt, was wir vorher gehabt haben. Da müssen wir uns rausziehen.“
„Totgesagte leben länger“
Auf den Tribünen und rund ums Stadion war es nach dem Spiel erstaunlich ruhig. Der Schock der Derby-Niederlage saß tief und dies gegen den Rivalen aus der Nachbarstadt. Gleichzeitig war aber auch zu hören: „Totgesagte leben länger“. Und wie Wiederauferstehung im Tabellenkeller aussehen kann, das macht gerade der FC Schalke 04 deutlich. Auf Kampf und Geschlossenheit sowie auf die Treue seiner Fans, die auch zuletzt beim verlorengegangenen Auswärtsspiel in Bremen eine personell und optisch beindruckende Performance lieferten, sollten Trainer und Spieler des VfL Bochum jetzt bauen. Dann kann es im Sommer auch eine weitere Saison Erstliga-Fußball im Vonovia-Ruhrstadion geben.
Fünfkampf um den Ligaverbleib
Zuvor muss der VfL Bochum aber in den nächsten Spieltagen wieder Punkte sammeln. Da es im Tabellenkeller recht eng zugeht „ist alles noch möglich“, wie Trainer Thomas Letsch betonte. Denn gleich vier Mannschaften teilen sich nach dem gestrigen Haupttag des 23. Spielstages mit 19 Punkten das Tabellenende (Stuttgart, Hoffenheim, Schalke und Bochum). Gemeinsam mit dem heute spielenden Hertha BSC (20 Punkte) werden diese fünf Mannschaften wohl den Kampf um den Ligaverbleib ausspielen. Ein Fünfkampf, denn der Abstand nach oben zum Tabellendreizehnten, dem FC Augsburg (27 Punkte), ist mit zehn Punkten bereits groß.
Mit Blick auf das Auswärtsspiel am nächsten Freitag (10.03.) um 20:30 Uhr im Kölner Rhein-Energie-Stadion sagte Mittelfeldspieler Philipp Hofmann auf Frage von Bochum-Journal: „Wir wollen den Kampf annehmen und in erster Linie über den Kampf ins Spiel kommen. Dann gilt es kaltschnäuziger zu sein und dem Gegner auch mal wieder eins über die Linie zu drücken. Und dann die Zeiger auf unsere Richtung zu lenken.“
Text: Christian Schnaubelt
Bilder: Sebastian Sendlak / DeFodi Images