Die RUB-Forschungsgruppe „Szenarien der Vergangenheit“ wird weitergefördert.
Vergangenes wird nicht einfach aus dem Gedächtnis abgerufen, sondern während des Erinnerns teilweise erst konstruiert. Diese Überzeugung liegt der Forschungsgruppe 2812 „Szenarien der Vergangenheit: Ein neuer theoretischer Rahmen für das generative episodische Gedächtnis“ zugrunde. Die Gruppe unter Leitung von Prof. Dr. Sen Cheng vom Institut für Neuroinformatik der Ruhr-Universität Bochum wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft für die kommenden drei Jahre weitergefördert.
Nicht alle sprechen über dasselbe
Habe ich die Kaffeemaschine zu Hause ausgeschaltet? Diese Frage setzt in unserem Gehirn komplexe Prozesse in Gang, die dazu führen, dass wir ein Szenario konstruieren, in dem die Handlung vorkommt, an die wir uns zu erinnern versuchen. Frühen Konzepten zufolge werden Informationen im Gedächtnis abgespeichert und später abgerufen. Jedoch deuten empirische Belege klar darauf hin, dass der Inhalt des episodischen Gedächtnisses zu einem gewissen Grad während des Erinnerns konstruiert wird. Die Forschungsgruppe 2812 entwickelt eine Theorie des episodischen Gedächtnisses, das auf solchen Szenarien basiert.
Was bedeutet das aber, und welche Mechanismen im Gehirn liegen diesen Prozessen zugrunde? Und: Sprechen Forschende hier eigentlich über ein und dasselbe? „Es gibt große konzeptionelle Unterschiede zwischen den Fachdisziplinen, was das episodische Gedächtnis anbelangt“, sagt Sen Cheng. In der ersten Förderphase der Forschungsgruppe haben die Beteiligten schon große Fortschritte erzielt, um diese Fragen einzugrenzen. „Szenarien sind mentale Simulationen einer vergangenen Episode basierend auf episodischen Gedächtnisspuren und semantischen Informationen. Sie ermöglichen es somit fehlende Informationen zu ergänzen und Inhalte anzupassen, zum Beispiel an das Selbstmodell und soziale Anforderungen“, erklärt er einige Ergebnisse. Die Gruppe hat Computermodelle zur Untersuchung der Funktion des episodischen Gedächtnisses und philosophische Theorien dazu entwickelt.
Soziale Funktion des Gedächtnisses
In den kommenden Jahren wollen sie diese Ergebnisse anwenden und erweitern. Im Mittelpunkt stehen direkte, selbstbezogene und soziale Funktionen des episodischen Gedächtnisses; die Interaktion zwischen episodischen Gedächtnisspuren und semantischen Informationen, die Mechanismen, durch die das Selbstmodell und soziale Interaktionen die Szenariokonstruktion modulieren, und die Untersuchung der Enkodierung episodischer Gedächtnisspuren und ihre Abhängigkeiten mit dem semantischen Netzwerk.
Quelle: RUB / Prof. Dr. Sen Cheng