Der Kommunalrat im Regionalverband Ruhr (RVR) hat den Berlin-Ruhr-Dialog fortgesetzt – allen voran mit Bundeskanzler Olaf Scholz. In dem gemeinsamen Gespräch hat der Kanzler betont, dass der Dialog mit den Kommunen sich bewährt habe. Für das Ruhrgebiet habe er sich extra Zeit genommen zwischen Telefonaten mit den Präsidenten Putin und Selenskyj, berichtet die Runde.
In den Gesprächen mit Regierungsvertretern und Fraktionsspitzen standen die drängenden Herausforderungen bei der Entwicklung der Metropole Ruhr auf der Agenda. Ganz aktuell die Frage der Unterbringung und Verteilung der geflüchteten Menschen aus der Ukraine. Aber auch Herausforderungen, wie Impulse für einen metropolegerechten Nahverkehr, die Lösung der Altschuldenproblematik und der klimagerechte Umbau des Industriestandortes Ruhrgebiet – auch durch den neuen Energieträger Wasserstoff – standen auf der Agenda.
Die Delegation aus dem Ruhrgebiet betonte in den Treffen, dass die Metropole Ruhr mit ihren mehr als fünf Millionen Menschen einen großen Beitrag leisten kann, die Ziele der neuen Bundesregierung bei den großen Themen Klimaschutz, Demographie und Digitalisierung zu erreichen. Die Region ist dazu bereit und in der Lage ihre volle Kraft zu entfalten, wenn der Bund sie passgenau unterstützt. Das Ruhrgebiet selbst hat sich zum Ziel gesetzt, grünste Industrieregion der Welt zu werden, das Thema Wasserstoff spielt hierbei eine zentrale Rolle.
Der Kommunalrat, das Gremium der elf Oberbürgermeisterinnen und -meister sowie der vier Landräte reiste am 23. und 24. März zusammen mit RVR-Direktorin Karola Geiß-Netthöfel in die Bundeshauptstadt.
Thomas Eiskirch, Sprecher des Kommunalrats und Oberbürgermeister der Stadt Bochum, fasst zusammen: In den Gesprächen mit den Vertre-tern der Bundesregierung haben wir deutlich gemacht, dass sich im Ruhr-gebiet viel bewegt. Damit diese Entwicklung weiter Fahrt aufnimmt, sind wir dem Bund dankbar für jede Unterstützung, die in der Region an-kommt. Daher ist das Signal aus Berlin, noch in diesem Jahr die Altschul-denproblematik lösen zu wollen, ein gutes für das Ruhrgebiet. Jetzt kommt es auf die Bereitschaft des Landes NRW an, darauf einzusteigen. Losgelöst von Haushaltsfragen haben wir gegenüber dem Kanzler betont:
Die Kommunen geben derzeit alles, den Flüchtlingen aus der Ukraine Schutz und eine sichere Unterkunft zu geben. Was wir aber brauchen sind klare Verabredungen und Planungssicherheit von Bund und Land. Denn neben drängenden Fragen zur Integration die Menschen aus der Ukraine in den Schul- und Arbeitsalltag geht es auch um ganz praktische Dinge, wie ausreichend Betten, Duschen oder Matratzen.“ Und Eiskirch ergänzt: „Wir wollen im Ruhrgebiet auch beim Nahverkehr besser werden und synchronisieren schon bald die Nahverkehrspläne. Um dies mit besserem Takt und städteübergreifenden Linien zu verbinden bedarf es der Unterstützung von Bund und Land NRW.
Thomas Kufen, stellvertretender Sprecher des Kommunalrats und Oberbürgermeister der Stadt Essen ergänzt: Die Hilfsbereitschaft in den Städten ist enorm. Aber derzeit ist vor Ort in den Aufnahmestellen jeder Tag eine neue Herausforderung. Und niemand weiß, wie lange wir humanitäre Hilfe leisten müssen. So eine große Flüchtlingsbewegung hat es innerhalb Europas seit Jahrzehnten nicht gegeben. Unsere eindringliche Bitte an den Bundeskanzler ist daher, sich dafür einzusetzen, dass der Bund eine zentrale und gerechte Verteilung der Geflüchteten auf alle Länder und Kommunen vornimmt und wir frühzeitig über eine Wohnsitzauflage diskutieren. Außerdem ist es zwingend notwendig, in der jetzigen Situation, das europäische Vergaberecht zu vereinfachen. Dann ginge vor allem bei der kurzfristigen Unterbringung von Menschen vieles schneller.“ Und Kufen weiter: „Dass bald eine Lösung für die Altschuldenproblematik gefunden werden soll, höre ich gerne. Die Schulden hängen seit Jahren wie Mühl-steine um unseren Hals. Sie bremsen unsere Entwicklung und den Aufholprozess einer ganzen Region. Die Aufnahme- und Integrationsleistungen, die jetzt zu erbringen sind, machen diese Situation nicht besser.“
Karola Geiß-Netthöfel, Regionaldirektorin des Regionalverbandes Ruhr, sagt zum Ende der zweitägigen Reise: „Wir sind zuversichtlich, dass der gemeinsame Auftritt in Berlin Wirkung zeigt und die Metropole Ruhr als größter Ballungsraum in Deutschland bei der Zuteilung von Finanzhilfen und konkreten Förderzusagen vom dritten Berlin-Ruhr-Dialog profitieren wird. Ganz konkret geht es um die Förderung der regionalen Koordinierungsstelle Wasserstoff im Ruhrgebiet. Der Antrag wird von allen Städten und Kreisen unterstützt. Und wir brauchen vereinfachte Verfahren beim Leitungsbau, damit der Energieträger der Zukunft vor Ort, zum Beispiel in unseren Stahlwerken, eingesetzt werden kann.“
In Berlin traf die Delegation aus dem Ruhrgebiet neben dem Bundeskanzler unter anderem auf Bundesbauministerin Klara Geywitz sowie die Fraktionsspitzen der Ampel-Koalition: Rolf Mützenich (SPD), Britta Haßelmann (Die Grünen) und Christian Dürr (FDP). Auch mit dem Vorsitzenden der Unionsfraktion, Friedrich Merz, sprachen die Verwaltungschefs über ihre Ziele. Dazu kamen Gespräche mit Staatssekretärinnen und -sekretären der Bundesministerien für Finanzen, Verkehr und Digitales sowie Inneres und Heimat. Vorbereitet und organisiert hatte den dritten Berlin-Ruhr-Dialog der Regionalverband Ruhr (RVR).
Die Hauptforderungen im Berlin-Ruhr-Dialog 2022:
- Für die Altschuldenproblematik muss noch in dieser Legislaturperiode eine Lösungsperspektive entwickelt werden, bei der strukturbelastete Kommunen nicht erneut in eine Kassenkreditverschuldung gezwungen werden.
- Die hohe Abhängigkeit von fossilen russischen Energielieferungen muss angesichts der neuen politischen Lage so schnell wie möglich reduziert werden. Die kommunale Energiewirtschaft muss dabei eine Einbettung in die nationale Strategie finden.
- „Verkehrswende“ im Sinne einer zukunftsgerichteten, klimaneutralen und kundenorientierten Mobilität braucht verlässliche Rahmenbedingungen durch den Bund und entsprechende finanzielle und personelle Ressourcen auf kommunaler Ebene.
- Unterstützung von verlässlichen innovations- und investitionsfördernden Rahmenbedingungen durch den Staat zur wettbewerbsfähigen und von Russland unabhängigen Energieversorgung. Dabei muss der Bund Sorge dafür tragen, dass die Energiepreise bezahlbar bleiben.
- Bei der Ausweitung der Förderprogramme des Bundes zur digitalen Transformation bedarf es nachhaltiger infrastruktureller wie auch organi-satorischer Strukturen. Hierfür sollten Landes- und Bundesförderprogram-men abgestimmt werden, um ineffiziente Doppelstrukturen zu vermeiden.
- Die regionale Koordinierungsstelle Wasserstoff soll durch das BMWK ge-fördert und der Weg der Modellregion zur Transformation des Energiesys-tems geebnet und finanziell unterstützen werden.